An zwei Tagen diskutierten Experten aus der Wintersportbranche am 28./29.11. beim „Dein Winter. Dein Sport.“ ISPO Munich Symposium über die aktuelle Lage, die Herausforderungen und die Zukunft des Wintersports. Mit dabei waren Verbandsvertreter, ehemalige Profisportler wie Vicky Rebensburg und Fritz Dopfer, Vertreter der Industrie, der Bergbahnen und Tourismusregionen. Wir waren vor Ort dabei und fassen die wichtigsten Standpunkte zusammen!
„Dein Winter. Dein Sport.“ Ist eine Initiative der vier Partner DSV, DSLV, Snowboard Germany und SIS. Sie baut auf ein branchen-, länder- und sportartübergreifendes Netzwerk. Die Partner stellen den Sport ins Zentrum und sind das neutrale Sprachrohr für die gesamte Wintersport-Branche. Die Idee ist es, gemeinsam Menschen zum Wintersport zu motivieren und sie für seine Vielfalt zu begeistern. Aus der Aktivierung von Wintersportlern entstehen Kunden. Ziel sind gemeinsame Lösungen und Anstrengungen für den sozialen und wirtschaftlichen Erfolg aller!
Geht das? Darüber unterhielten sich unter Leitung des Moderators Tobias Barnerssoi (ARD-/BR Wintersportkommentator) Jörn Homburg von den Oberstdorf Kleinwalsertal Bergbahnen, Beate Rubatscher-Larcher (Geschäftsführung der Kaunertaler Gletscherbahnen) und Vivienne Hosennen (Leiterin Süddeutschland & Trade Deutschland bei Schweiz Tourismus). Einigkeit herrschte auf dem Podium vor allem darin, dass der Wintersport zuletzt zu Unrecht durch einige Medien an den Pranger gestellt und als außerordentlich klimaschädlich betitelt wurde. Die Daten zeigten ein anderes Bild und viele Medien hielten sich nicht an Fakten, recherchierten nicht ordentlich - da war sich die Runde einig.
So würde zum Beispiel das Wasser für die Beschneiung nicht aus dem Wasserkreislauf entnommen, sondern durch die Beschneiung und das Schmelzen und Einsickern im Frühjahr werde es nicht verbraucht, sondern nur genutzt und im Anschluss dem Kreislauf wieder zugeführt. Der Strom für die Beschneiung werde vielerorts durch Wasserkraft oder Photovoltaik gewonnen, zum Teil arbeite man komplett autark. In den letzten Jahren haben fast alle großen Bergbahnunternehmen in den Umweltschutz und die Nachhaltigkeit investiert, doch natürlich ist der Weg noch nicht zu Ende. Im Video erklärt Homburg dies etwas näher:
Aktuell ist das Thema HVO-Kraftstoff für Pistenfahrzeuge bei Bergbahnunternehmen sehr präsent - mit diesem kann der CO 2-Ausstoß der Maschinen um bis zu 90 Prozent reduziert werden. Erste Tests in der Silvretta Montafon, in Oberstdorf oder am Kitzsteinhorn verliefen positiv, die Leoganger Bergbahnen fahren bereits 2023/24 komplett mit dem "Hydrotreated Vegetable Oil“. Für diese Art des Kraftstoffes werden neben Pflanzenölen auch Abfälle sowie Öle und Fette aus Reststoffen genutzt, wie zum Beispiel gebrauchtes Speiseöl oder Frittierfett aus Küchen und Pommesbuden. Es werden nur erneuerbare, organische Rohstoffe verwendet. "Ökonomen wissen, was die Ökologie wert ist", so Jörn Homburg, der ölologische Maßnahmen im ureigenen Interesse der Bergbahnen verortet.
Ein weitere Kritikpunkt vieler Medien am Skifahren war zuletzt der Umgang mit den Gletschern. Hier würde zum Teil stark pauschalisiert und polarisiert. Gletscher würden durch das Skifahren nicht schneller schmelzen, sondern eher langsamer, betonte Rubatscher-Larcher, die neben dem Kaunertaler Gletscherskigebiet auch den Pitztaler Gletscher betreut. Sie plädierte an Journalisten, die Fakten zu checken und nicht Pauschalvorwürfe zu erheben. So betrage die Flächennutzung des Skigebietes Kaunertaler Gletscher zum Beispiel nur 0,8 Prozent des Gemeindegebietes. Wintersportler seien also auf einem sehr begrenzten Raum konzentriert. Insgesamt werde im Bereich des Klimaschutzes viel getan, so Rubatscher-Larcher. Auch in der Schweiz, betonte Vivienne Hosennen. Man habe sich das Ziel gesetzt, das nachhaltigste Urlaubsland der Welt zu werden.
Rubatscher-Larcher verwies abschließend auf Berechnungen des österreichischen Umweltbundesamt: Ein Skiurlaub ist demnach grundsätzlich weniger klimaschädlich als ein Sommerurlaub. Ein Badeurlaub auf den Malediven zum Beispiel mit einem langen Flug verursache 454 kg CO2-eq jeden Tag, ein Skiurlaub mit Bahn-Anreise hingegen nur 20 kg. Es zeigte sich: Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt bei vielen Bergbahnen und Tourismusregionen in den Alpen immer mehr an Bedeutung – und das ist auch gut so!
Ein Highlight des ersten Tages des Symposiums auf der ISPO in München war der Vortrag von Dr. Thomas Kemper, Leiter der Marktkommunikation der Deutschen Bahn AG. Er trat demütig auf, zeigte Verständnis für den Unmut vieler Deutscher, wenn es um die Deutsche Bahn geht. Zu viele Verspätungen, zu viele Probleme, das sei absolut richtig. Man arbeite an einer umfassenden Netzerneuerung, 2024 werde es wieder zahlreiche Großbaustellen geben, die insbesondere den westdeutschen Raum betreffen. Kemper hob aber auch die positiven Seiten des Reisens mit der Deutschen Bahn hervor: Das Angebot werde ständig erweitert und verbessert, insbesondere auch für Wintersportler. So gäbe es nicht nur sehr viele ICE-Verbindungen aus den Metropolen und Ballungsräumen in Richtung Alpen, sondern auch zahlreiche Direktverbindungen in die beliebtesten Skigebiete Tirols, Salzburgs oder Südtirols.
Wer früh buche, könne zudem deutlich günstiger als mit dem Auto unterwegs sein. Außerdem, und das sei wohl der wichtigste Pluspunkt: Mit keinem anderen Verkehrsmittel ist man so emissionssparend unterwegs wie mit dem Zug. Klimaschonendes Reisen, das geht nur mit der Bahn. Denn in einem einwöchigen Skiurlaub entfallen rund 70 % der ausgestoßenen CO2-Emissionen auf An- und Abreise!
Tag 1 des Symposiums wurde von Vertretern der Sportartikelindustrie beschlossen, die über den Transformationsprozess der Sportartikelbranche rege diskutierten. Und so hoben Stefan Rosenkranz (Geschäftsleitung Bundesverband der Deutschen Sportartikel-Industrie e.V.), Stefan Herzog (Generalsekretär Verband Deutscher Sportfachhandel & Präsident FEDAS), Darius Zamani-Achtiani (Ressortleiter Category Management der INTERSPORT Deutschland eG) und Hilmar Bolle (Geschäftsführer Rossignol-Gruppe) die Verantwortung der Industrie für die Entwicklung von nachhaltigen Innovationen hervor. Als Beispiel nannte Hilmar Bolle von Rossignol den neuen Ski Essential, der zu 77 % recycelbar sei und in Frankreich gefertigt werde - mit Sicherheit ein Vorzeigeprojekt.
Mit großem Interesse wurde der Kurzvortrag von Prof. Dr. Roth erwartet, der am zweiten Tag des Symposiums erste Ergebnisse einer repräsentativen Studie vorstellte, die im Januar final veröffentlicht wird. Demnach gebe es rund 7,3 Millionen Alpinskifahrer und 4,5 Millionen Menschen, die nordischen Skisport betreiben - eine überraschend hohe Zahl. In den vergangenen Jahren habe das Winterwandern an Bedeutung gewonnen und spiele als Ergänzung zu den klassischen Winterbergsportarten eine immer wichtigere Rolle.
Auf die Frage, welche Gründe gegen die Ausübung von Wintersport sprechen, gaben die Befragten neben "Kein Interesse" und "Zu teuer" vor allem die schwierige Erreichbarkeit der Sportgebiete, die Angst vor Verletzungen, aber auch die Auswirkungen auf den Klimawandel und zu große Natur- und Umweltbelastung an.
Wenig überraschend: Wintersportler gehören nicht zu der Bevölkerungsgruppe mit geringem Einkommen. Das Netto-Haushaltseinkommen von Alpinskifahrern ist dabei deutlich höher als bei den restlichen Wintersportlern. Alpinskifahren war, ist und bleibt etwas für "Besserverdiener" - in der späteren Diskussion legte Roth daher auch großen Wert darauf, dass es weiterhin und wieder niedrigpreisige Wintersportangebote für Skifahrer und Snowboarder geben muss, damit der Nachwuchs nicht schon aufgrund der hohen Kosten ausgeschlossen werde.
Leider spielen die Reduktion von CO2-Emissionen und der Ressourcenschutz bei der Planung eines Winterurlaubs immer noch eine eher untergeordnete Rolle, das zeigen Studienergebnisse. Die Bedeutung steige aber, so gaben immerhin rund 60 % der Befragten an, das diese Themen wichtig seien. Kaufentscheidend sind für Skiurlauber immer noch die Qualität der Pisten, die Schneesicherheit, wintersportfreundliche Unterkünfte sowie die Größe des Skigebietes.
Ebenfalls beachtlich sei die Altersstruktur von Alpinskifahrern. Stark vertreten sind insbesondere die Alterklassen zwischen 50-65 Jahren. Im Gespräch mit den Verbandsfunktionären von DSLV, Deutscher Snowboardverband und DSV forderte Roth daher auch, dass die Verbände, aber auch Politik, Industrie und Institutionen wie die Schulen insbesondere den Zugang erleichtere und Angebote schaffe. Dafür müsste auch entsprechendes Geld in die Hand genommen werden, so Roth.
Zum Finale der Veranstaltung diskutierten unter dem Motto "Kinder in Bewegung und raus in die Natur: Alle wollen es!?" Weltmeister und Olympiasieger: Viktoria Rebensburg, Fritz Dopfer und Konstantin Schad erzählten im Gespräch mit DER Stimme des Wintersports, Guido Heuber, von ihren Kindheitserlebnisse im Schnee und der damit entwickelten Verbundenheit zur Natur. "Alle, die im Sport aufgewachsen sind, sich draußen viel bewegt haben, haben ein ganz anderes Bewusstsein für die Natur", so Rebensburg. Hier seien die Eltern in der Pflicht, das Faszination für das Draußensein sowie den Sport in der Natur vorzuleben und die Kinder mitzunehmen. Und sich neuen Trends nicht zu verschließen. Dopfer nahm Vereine und Industrie in die Pflicht, ihre Arbeit konsequent fortzuführen - nur dann würden die Kids von heute den Weg zum Wintersport finden.
Mehr Informationen zur Initiative "Dein Winter. Dein Sport" findet ihr unter www.deinwinterdeinsport.de.