Was im Winter von dicken Schneedecken bedeckt ist, entpuppt sich im Sommer als echter Schatz der Natur. Wertvolle Heideflächen und geschützte Bergwiesen überziehen die Wintersport-Arena Sauerland. Diese Flächen zu erhalten, ist nicht nur das Anliegen von Naturschützern. Die Betreiber der Skigebiete leisten maßgeblich Unterstützung dabei. Aktuell wird in Winterberg ein Skihang in eine Heidefläche verwandelt.
Ziegen und Schafe beweiden die Hochheiden auf den höchsten Bergen des Sauerlandes. Ohne das regelmäßige abknabbern der dort wachsenden Pflanzen, würden, Gras, Bäume und Sträucher nach und nach die typische Heide-Vegetation verdrängen. Das aufwendige Plaggen, das Abtragen des humosen und durchwurzelten Oberbodens, mit Teilen der darauf befindlichen Vegetation, wird heute kaum noch gemacht. Aktuell hat diese Maßnahme auf dem Kahlen Asten punktuell wieder Anwendung gefunden. Das abgetragene Heidekraut, Borstgras, Heidelbeeren und Preisebeeren, findet auf dem Käppchenhang im Skiliftkarussell wertvollen Einsatz. Skihang soll so in eine schöne Heidelandschaft verwandeln.
Bei ihren Bauprojekten sind die Liftbetreiber zu sogenannten "Ausgleichsmaßnahmen" verpflichtet. Flächen, die sie der Natur entziehen, müssen an anderer Stelle wieder geschaffen werden. Beim Bau des Förderbandes an der Winterberger Kappe wurde ein Eingriff in die Landschaft vorgenommen, für den es nun einen Ausgleich zu schaffen gilt. "Wir wollten eine Maßnahme direkt im Skiliftkarussell durchführen und eine für das obere Sauerland typische Vegetationsform ansiedeln", erklärt Liftbetreiber Nico Brinkmann. Bei der Unteren Landschaftsbehörde des Hochsauerlandkreises stieß er mit seinem Vorschlag auf Zustimmung. Es handelt sich um ein Pilotprojekt. Betreiber und Umweltschutzbehörde werden im Frühjahr die Ergebnisse gespannt betrachten.
Dass Heideflächen im Winter als Skihänge genutzt werden, ist kein Einzelfall. Auch auf der Willinger Hochfläche hat sich eine wunderschöne Heidelandschaft erhalten. Auf Teilen davon gleiten im Winter Skifahrer talwärts. Beweidung durch Heidschnucken und Ziegen sorgt für den Erhalt. Im Skidorf Neuastenberg grast im Spätsommer eine kleine Ziegenherde schonend die Heideflächen ab.
Menschen greifen zudem durch Schneiden von Sträuchern mit ein. So war diesen Sommer der Naturpark Sauerland/Rothaargebirge in Neuastenberg zu Gast. Bei der Aktion "Natur verbindet" haben Schüler aus dem Internat Bad Fredeburg zusammen mit Flüchtlingen einige naturschutzrelevante Flächen gepflegt. Werden diese Pflegemaßnahmen nicht durchgeführt, vergrasen und verbuschen die Heideflächen bis hin zur Waldentwicklung. Nährstoffeinträge aus der Luft führen dazu, dass bestimmte Gräser die Heide verdrängen.
"Ohne den winterlichen Skibetrieb würde es deutlich weniger Bergwiesen und Heideflächen geben", ist Liftbetreiber und Geograph Meinolf Pape überzeugt. Die Skigebietsflächen waren vor 50 Jahren und mehr oftmals Fichtenmonokulturen. Stattdessen gedeihen nun vielerorts Heideflächen und artenreiche Bergwiesen. Dazu muss der Mensch allerdings etwas nachhelfen. Und das tut der Natur gut. Darum müsse man bei neuen Bauprojekten sehr gut unterscheiden, ob wertvolle Vegetation verloren geht – oder vielleicht sogar geschaffen wird. "Wenn es um Skihänge geht, wird das gern aus den Augen verloren. Dabei ist das im Mittelgebirge entscheidend anders als im Hochgebirge. Die Vegetation bei uns ist weniger empfindlich und wird durch den Wintersport nicht zerstört." Wintersport-Arena-Vorsitzender Michael Beckmann betont: "Bei allen baulichen Maßnahmen in den Skigebieten der Wintersport-Arena Sauerland spielt der Naturschutz eine wichtige Rolle. Dabei erfolgt eine enge Abstimmung mit den jeweils zuständigen Behörden."
Extensive Bewirtschaftung ist das, was den Artenreichtum erhält und die Flächen so wertvoll macht. Beim Projekt Bergwiesen Winterberg setzen sich Behörden gemeinsam mit Naturschützern und weiteren Akteure dafür ein, dass die bunte Wiesenlandschaft auf dem Dach des Sauerlands erhalten bleibt. Einige davon liegen im Skiliftkarussell Winterberg, im Skidorf Neuastenberg und im Skikarussell Altastenberg. Die Landwirte bewirtschaften ihre wertvollen Bergwiesen auf traditionelle Weise, mit einer späten Mahd und ohne Einsatz von Gülle, Kunstdünger und Pestiziden. Im Winter liegen sie gut geschützt unter einer dicken Schneeschicht.
Auch im Skigebiet Sternrodt in Olsberg Bruchhausen hat Naturschutz große Bedeutung. Dort beweidet den Skihang im Sommer eine kleine Schafherde. Zudem entfernen die Liftbetreiber den in den letzten Jahren vermehrt auftretenden Riesenbärenklau (Herkulesstaude).
Besonders umfangreiche Maßnahmen hat das Skigebiet Willingen im Zuge der aktuellen Baumaßnahmen umgesetzt. Am Köhlerhagen entsteht derzeit ein moderner Achter-Sessellift samt Funktionsgebäuden. Für Wiesen- und Baumpieper wurden Sitzwarten errichtet, Dukatenfalter und Bergeidechsen besondere Lebensräume geschaffen. Nach den Bauarbeiten hat die Liftgesellschaft die bearbeiteten Flächen mit zuvor an Ort und Stelle geerntetem Borstgras-Heu bedeckt, um sicherzustellen, dass sich genau die Pflanzen wieder ansiedeln, die dort zuvor bereits wuchsen. Der Fluss Hoppecke hat einen besonders großräumigen Gewässerdurchlass unter der Skipiste mitsamt Uferradstreifen bekommen. So können Landtiere weiterhin dort gut hindurch wandern.
Neben dem aktuellen landschaftlich relevanten Flächenausgleichsprojekt finden im Skiliftkarussell Winterberg viele weitere Naturschutzmaßnahmen statt. Bei Eingriffen in die Natur werden beispielsweise Wiederaufforstungen mit Buchen oder Eichen betrieben, selbst wenn es Fichtenmonokulturen waren. Speicherteiche werden so gebaut, dass sie Wasservögel und Amphibien einen Lebensraum bieten. Dächer von Funktionsgebäuden bekommen artenreiche Begrünungen oder Solaranlagen.
Die Ausgleichs-Regelung ist im deutschen Recht das bedeutendste Instrument zur Durchsetzung von Belangen des Naturschutzes und greift auch außerhalb naturschutzrechtlich gesicherter Gebiete. Grundidee ist ein generelles Verschlechterungsverbot für Natur und Landschaft. Mit der Eingriffsregelung sollen Beeinträchtigungen durch Eingriffe in Natur und Landschaft vermieden werden.