Ein Video vom Hintertuxer Gletscher sorgte vergangene Woche für Aufsehen und Kritk. Unterdessen musste das Sommerskigebiet Stilfser Joch schließen ...
Auch wir vom Schneehoehen-Team haben vor ein paar Tagen ein Video vom Hintertuxer Gletscher auf unserem Facebook-Kanal geteilt, das in den Köpfen vieler Schneesportler Fragen aufwarf. Muss man ein Skigebiet Mitte Juli bei solchen Bedingungen wirklich öffnen? Soll es überhaupt noch Sommerskifahren in den Alpen geben? Warum gibt es Skifahrer, die so etwas mit dem Kauf von Liftkarten unterstützen? Die Kommentare unter dem Video sind zum Großteil eindeutig und oft sehr drastisch formuliert, heutzutage in den sozialen Medien gang und gäbe.
Und auch folgende aktuelle Bilder vom Sommerskigebiet Zermatt sowie dem Hintertuxer Gletscher (Webcam-Bilder vom 25. Juli 2022) wollen wir euch nicht vorenthalten:
Solche Bilder sind für die Sommerskigebiete in den Alpen nicht ungewöhnlich, allerdings sind die Bedingungen durch den unterdurchschnittlichen Schneefall des vergangenen Winters, den sehr warmen Mai und die aktuelle Hitze schon früh im Sommer schlecht. Matthias Dengg, Mitglied der Geschäftsführung der Zillertaler Gletscherbahn GmbH, bestätigte dies in der Tiroler Tageszeitung. Vor allem der schneearme Winter in Kombination mit einem außergewöhnlich warmen Frühling sei ausschlagebend für die derzeitige Situation. „Es ist aktuell auch in der Höhe ungewöhnlich warm", so Dengg in der TT. Und die Kronen-Zeitung zitiert ihn: "Heuer war die Ausaperung um vier bis fünf Wochen früher als üblich."
Angesichts der aktuellen Bilder von den Gletschern in den Alpen und der wieder einmal rekordverdächtigen Gletscherschmelze ist die Frage, ob Sommerskifahren in den Alpen überhaupt noch vertretbar ist, durchaus berechtigt. Insbesondere der Hintertuxer Gletscher, der sich gern und häufig als "Österreichs einziges Ganzjahresskigebiet" vermarktet, musste sich zuletzt viel Kritik gefallen lassen. Und das nicht völlig zu Unrecht, wie wir finden. Die Sinnhaftigkeit eines Ski-Angebotes im Hochsommer unter den aktuellen Voraussetzungen kann man durchaus hinterfragen.
Allerdings muss man auch anfügen: Das Angebot des Sommerskifahrens wird mehrheitlich von Ausbildungskursen für Skilehrer und Skitrainingsgruppen genutzt. Privatpersonen geben eher selten 52 Euro (Tages-Skipasspreis am Hintertuxer im Sommer 2022) aus, um ab dem späten Vormittag Wasserskifahren zu zelebrieren. Sie sind also die Ausnahme. Zudem sind die Bedingungen in diesem Jahr außergewöhnlich schlecht - nicht zuletzt hat auch das Saharastaub-Ereignis Ende des Winters dafür gesorgt, dass die Schneeschmelze noch stärker war als in den vergangenen Jahren. Und wer eine Einstellung des Sommerskibetriebs am Hintertuxer Gletscher fordert, der bewerte zu eindimensional, so Dengg: „Es gibt in unserem Tal keinen Plan B außer den Tourismus“, sagt er in der Kronen-Zeitung. Ob auch am Hintertuxer eine vorübergehende Einstellung des Skibtriebs drohe wie am Stilfser Joch (siehe unten), könne er aktuell nicht beantworten.
Man muss davon ausgehen, dass das Sommerskifahren in den Alpen in den kommenden Jahren aussterben wird. Vermutlich, aber das ist ein Blick in die Glaskugel, werden noch einige schneereiche Winter und kühle Sommer kommen, die auch in den wärmsten Monaten des Jahres das Skifahren ermöglichen. Langfristig und auf die nächsten Jahrzehnte gesehen, werden die Alpengletscher aber weiter stark dezimiert. Seit dem letzten Gletscherhöchststand um 1850 haben zum Beispiel die Gletscher in Österreich die Hälfte an Fläche und Volumen verloren, so Gletscherforscherin Lea Hartl vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Akademie der Wissenschaften in einem lesenswerten Standard-Artikel aus dem Juni 2022. Sie gehe davon aus, dass abhängig vom Emissionsszenario gegen Ende des Jahrhunderts von den derzeit 4000 Alpengletschern nur mehr etwa 700 bis 1000 vorhanden sein werden. Diese werden aber vor allem in den höher gelegenen Westalpen liegen.
Und so werden Bergbahnunternehmen wie die am Hintertuxer Gletscher ihr Geschäftskonzept über kurz oder lang anpassen müssen. Wo kein Gletscher, da kein Sommerskifahren. Das muss aber nicht das Ende des Sommertourismus im schönen Tuxertal bedeuten, wie Matthias Dengg aus der einflussreichen und im Ziller- sowie Tuxertal bekannten Unternehmerfamilie Dengg andeutet. Wie auch andere Alpenregionen hat man noch alle Möglichkeiten, seine Angebote anzupassen: Sommersportarten können mehr in den Fokus rücken, alternative Urlaubskonzepte entwickelt, Wellness- oder Familienthemen besetzt werden - die Möglichkeiten sind vielfältig. Einen Marketingslogan wird es aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in wenigen Jahren nicht mehr geben: "365 Tage Schneespaß am Hintertuxer Gletscher".
Am Stilfser Joch wurde Ende der vergangenen Woche der Skibetrieb vorübergehend eingestellt. Nach einem Blick auf die Webcams ist diese Entscheidung nicht verwunderlich. Wann der Skibetrieb in dem Skigebiet, das normalerweise zwischen Ende Mai bis Anfang November geöffnet ist, wieder aufgenommen wird, ist derzeit nicht klar.
Schon Anfang Juli wurde in Saas-Fee entschieden, dass aufgrund der Schneelage in diesem Jahr kein Sommerski angeboten werden kann.