Mit der "Energiestrategie 2050" hat die Schweizer Stimmbevölkerung die Grundlage geschaffen, um den Energieverbrauch zu reduzieren, um von fossiler auf erneuerbare Energie umzusteigen und um aus der Kernenergie auszusteigen. Der Kanton Graubünden hat mit dem Energiegesetz und dem sogenannten "Green Deal" bereits Strategien erarbeitet, um das vom Bund vorgegebene Ziel "Netto Null CO2-Emissionen bis 2050" zu erreichen. Der kantonale Richtplan Energie beschreibt nun die Auswirkungen auf die Raumentwicklung und legt Leitplanken für den Ausbau fest.
Der Richtplan schafft eine Übersicht der Nutzungspotentiale für die zukünftige Wasser- und Windkraft. Für den Bau möglicher neuer Windkraftanlagen wurden 31 Gebiete festgelegt, welche für die Windenergienutzung geeignet sind. Konkret umgesetzt werden aber auf wohl nur 19 bis 25 Anlagen, so berichtet die Zeitung Blick. Unter anderem werden das Crap Sogn Gion bei Flims-Laax, das Jakobshorn bei Davos und das Weisshorn oberhalb Arosa als mögliche Standorte genannt - wird es also Windkraftanlagen inmitten der beliebtesten Skigebiete Graubündens geben?
Regierungsrat Marcus Caduff: "Die Interessenabwägung ist auch eine gesellschaftliche Frage: Wie gelingt es Graubünden und der Schweiz, eine möglichst intakte Natur und Landschaft zu erhalten und gleichzeitig erneuerbare Energieformen zu fördern?"
Detaillierte Kartenansicht der möglichen Standorte für Windkraftanlagen: kt-gr.maps.arcgis.com
In einer Presseerklärung kritisiert der Schweizerische Verband für eine vernünftige Energiepolitik und Raumplanung die potenziellen Standorte von Windkraftanlagen scharf. Der Verband hat sich zum Ziel gesetzt, auf nationaler Ebene Personen und Organisationen zusammenzubringen, zu vertreten und zu koordinieren, die sich für den Schutz der Natur, insbesondere der Flora und Fauna, vor menschlichen Eingriffen und gegen die Verschandelung der Landschaft durch industrielle Windkraftanlagen einsetzen.
Zitate aus der Presserklärung:
"Die romantischsten Eisenbahnrouten, die bekanntesten Wintersport-Orte, die beliebtesten Pässe und zuletzt gar die Bartgeier-Nistplätze sollen nicht von den Plänen der Bündner Regierung verschont bleiben... Geht es nach der Bündner Regierung, sollen die bekanntesten Destinationen der weltweit berühmten Bündner Alpen mit Windturbinen industrialisiert werden. Der Kanton Graubünden setzt dabei die Ziele des Konzepts Windenergie des Bundes um, welches bis zu 640 GWh jährliche Windenergie-Produktion im Alpenkanton vorsieht. Das entspricht bis zu 130 Windturbinen. Die Bündner Regierung zeigt nun, was die Umsetzung der Energiestrategie 2050 konkret bedeutet. Über 30 Windparks werden vorgeschlagen.
In erster Linie sind die sensibelsten und unberührtesten Gebiete der Schweiz betroffen: Bei den Bartgeier-Nistplätzen im Unterengadin, am Ofenpass in direkter Nachbarschaft zum Schweizer Nationalpark und im Val Müstair sind drei Windparks vorgesehen. Weitere vier Windparks sind im Prättigau geplant, wo Wildtiere bisher noch von Infrastruktur-Anlagen verschont blieben. Vorgeschlagen werden außerdem drei Windparks zwischen Davos und dem Flüelapass, ein Windpark am Weisshorn in Arosa, zwei Windparks rund um Lenzerheide, zwei Windparks bei Laax, zwei Windparks in den Skigebieten von Samnaun, ein Windpark oberhalb von Churwalden sowie je ein Windpark bei Sedrun und auf dem Oberalppass. Statt mit freien Alpenlandschaften würde sich das Bündnerland künftig als industrialisierte Gegend präsentieren.
Auch auf dem Berninapass im geschützten UNESCO-Gebiet würden Touristinnen und Touristen künftig Windturbinen betrachten, die nur selten Strom produzieren und oft vereisen. Auch am Julierpass, je nord- und südseits des San Bernardino und am Splügenpass sind gigantische Windturbinen vorgesehen. Obwohl die Bevölkerung 2019 mit 60% deutlich Nein gesagt hat zu industriellen Windkraftanla-gen, schlägt die Bündner Regierung erneut einen großen Windpark im Val Lumnezia vor. Auch im Valser Tal, im Safiental, auf dem Heinzenberg und bei Savognin gibt es Pläne für Windturbinen.
Nicht nur das Gebirge, sondern auch das Tal rund um Landquart und Chur soll mit Windturbinen zugestellt werden. Nicht weniger als sieben Windparks dürften geplant werden, dazu ein weiterer bei St. Luzisteig. Die Täler würden zu tödlichen Zonen für durchziehende Vögel.
Bereits in den Kanton Luzern, St. Gallen und Zürich sind in den vergangenen Monaten total über 80 Windparks vorgeschlagen worden. Mit den Plänen der Bündner Regierung gibt es nun über 100 neue Windpark-Pläne. Der Schweiz droht der vollständige Zubau unserer Landschaften. Nicht nur die dicht besiedelten Wohngebiete sollen industrialisiert werden, sondern auch die freien Natur- und Erho-lungsräume und die weltbekannten Alpen. Die Grundlage für unseren Tourismus ist gefährdet!"
Im Blick werden mehrere Tourismusregionen und Betreiber von Skigebieten in Graubünden weniger skeptisch zitiert. "Als ganze Ferienregion sind wir sehr auf Nachhaltigkeit bedacht", so zum Beispiel Roger Kreienbühl, Sprecher der Tourismus-Region Samnaun, Unterengadin und Val Müstair. "Wir unterstützen daher solche Projekte dort, wo sie Sinn machen". Eine "Zupflasterung" der bisher unverbauten Natur würde das nicht, stellt Arosa-Sprecherin Schmitz klar. "Eine Platzierung im touristisch ungenutzten Gebiet möchten wir seitens Arosa Tourismus genauestens geprüft haben."
Die Schweiz plant einen groß angelegten Ausbau erneuerbarer Energien, besteht aus einem Mix von Wind-, Wasser- und Solarkraft.