Wir schreiben das Jahr 1864. Ein Hotelier namens Johannes Badrutt aus St. Moritz bietet seinen britischen Sommergästen einen Deal an: Sie sollten doch mal im Winter kommen - wenn sie nicht zufrieden seien, würde er die Reisekosten übernehmen. Die Engländer ließen sich nicht lange bitten, kamen im Winter 1864/65 zur Weihnachtszeit nach St. Moritz und blieben bis nach Ostern. Erst dann kehrten sie, von der Sonne und der winterlichen Bergwelt verzaubert, nach Hause zurück. Der Wintertourismus war geboren und St. Moritz startete seinen Weg zu einem der bekanntesten Wintersportorte der Welt. Heute gilt St. Moritz als Nobelort, gespickt mit hochwertiger Hotellerie und Restaurants der Extraklasse. Und das Engadin als sonnenverwöhntes Hochtal mit spektakulären Skigebieten und unzähligen Wintersportangeboten. Im Januar 2023 haben wir uns vor Ort umgeschaut, viele Bilder und ein kleines Video mitgebracht, Jan Steiner von der Engadin St. Moritz Tourismus AG interviewt und die Skigebiete Corviglia und Corvatsch besucht.
St. Moritz ist ein ganz besonderer Urlaubsort. Exzentrisch, ein bisschen verrückt, hochtrabend, niemals langweilig, multikulturell. Urlauber aus aller Welt bevölkern die Gemeindeteile St. Moritz-Dorf, St. Moritz-Bad und Suvretta, im Sommer wie im Winter. Die zahlungskräftigen unter ihnen logieren in einigen der berühmtesten 5-Sterne-Hotels der Welt: Kulm, Badrutt´s Palace, Carlton, Kempinski ... die Liste ist lang.
Und da es nur wenige Unterkünfte gibt, die man aus deutscher Sicht als günstig bezeichnen würde, ist St. Moritz und das Engadin eher nichts für Sparfüchse. Einen guten Deal kann man trotzdem machen: Mit dem Angebot "Sleep+Ski" profitiert man von einem Hotelskipass zum Festpreis von CHF 45.00 pro Tag. Gültig ist der Skipass im gesamten Engadin, welches vier Hauptskigebiete bietet: Corviglia als erste Anlaufstelle direkt bei St. Moritz, Corvatsch 3303 für sportlicher Wintersportler und Freestyler, Diavolezza/Lagalb ist das Freeride-Paradies und Pizzet-Zuoz perfekt für Familien und Anfänger.
Wir nahmen uns zwei Skigebiete während unseres Kurzaufenthalts im Januar 2023 im Engadin vor: Früh am Samstagmorgen starteten wir mit der Signalbahn von St. Moritz-Bad in das Skigebiet Corviglia, nach dem Mittag sollte es noch hinüber zum Corvatsch gehen. Diese Reihenfolge macht Sinn, denn am Morgen steht im südlich ausgerichteten Corviglia an den Hängen des Piz Nair früh die Sonne, während die Pisten am 3303 Meter hohen Corvatsch oberhalb von Silvaplana-Surlej die meiste Zeit des Tages im Schatten liegen. Die Luftseilbahn Signal ist bereits seit dem Jahr 1973 in Betrieb und kann schon fast als historisch bezeichnet werden. Schon um 7:50 Uhr bringt sie die ersten Skigäste auf den Berg, ab 7:45 Uhr sind die Gondelbahn Celerina – Marguns und die ersten Sessellifte in Betrieb. So früh kommt man regulär in kaum einem anderen Skigebiet auf den Berg.
Wir hingegen sind nicht ganz so früh dran, obwohl wir 8:30 Uhr eigentlich an einem Samstag auch schon recht zeitig finden. An der Bergstation auf 2139 Höhe (schon im Tal ist man fast 1800 Meter über Meer unterwegs!) beißen wir trotz -14 Grad und einem lebhaften Wind "in den sauren Apfel" und steigen in den Alp Giop 4er-Sessel, in dem man ungeschützt bis auf 2.690 Meter Seehöhe fährt. Das ist der Vorteil, wenn das "Tal" schon in so großer Höhe liegt: Mit nur zwei Liftfahrten ist man schon so weit oben, wie man in vielen anderen Skigebieten der Alpen überhaupt nicht kommt.
Wir genießen den spektakulären Blick ins Engadin und halten uns rechts, um zunächst den Rand des Skigebietes zu erkunden. Viel Schnee hat es leider nicht: Die Schneewolken, die die meisten Regionen der Alpen in den vergangenen Tagen mit Neuschnee versorgten, haben leider einen Bogen um die Südostschweiz gemacht. Und so ist es kaum zu glauben, wie perfekt die Pisten 1 und 2 (Paradiso und Swing) präpariert sind. Carven wie auf einem Teppich, dazu die Ruhe am Rand des Skigebietes - ein absoluter Tipp zum Start in den Tag auf Corviglia. Bemerkenswert ist auch der Lift, der einen wieder nach oben bringt: Die 4er-Sesselbahn "Randolins–Munt da San Murezzan" ist bereits seit 1994 im Einsatz und eine der ersten Sessellifte von Leitner mit Schutzhaube.
In den kommenden Stunden entdecken wir das Skigebiet Corviglia von Süden nach Norden. Blaue und rote Pisten ziehen sich über den Berg, treffen sich zumeist am zentralen Punkt des Skigebietes, Corviglia in 2.489 Meter Höhe. Hier kommt nicht nur die Standseilbahn an, die direkt im Sankt Moritzer Dorf losfährt und morgens die Gäste direkt ins Skigebiet bringt. Auf der berühmten Sonnenterrasse des "White Marmot" trifft Hochgenuss auf Sportlichkeit. Wer etwas auf sich hält, der macht hier seine Mittagspause.
Etwas weniger exquisit, aber mit einer guten Mischung von Qualität und Gemütlichkeit, zeigt sich das neue Free-Flow-Restaurant "Edy`s" auf Corviglia - ein Selbstbedienungsrestaurant, das eine kurze, aber genussvolle Pause verspricht, bevor es für die sportlichen Wintersportler schnell wieder auf die Piste geht. Die Preise sind auch hier gehoben, aber für schweizerische Verhältnisse absolut okay. Auch wir kehren im "Edy`s" ein, erhaschen noch einen Blick auf das Hahnenkammrennen, das zeitgleich im TV übertragen wird, und genießen den vorzüglichen Kaffee vor Ort. Draußen werfen wir noch einen Blick in die quattro BAR, einen stylischen Treffpunkt für jene, die gute Drinks mit coolen Beats kombinieren möchten.
Doch dann geht es schnell weiter rüber nach Marguns, da die Gondel zum höchsten Punkt des Skigebietes, dem Piz Nair (3.057 m), heute leider nicht geöffnet ist. Schade eigentlich, denn vom höchsten Punkt des Skigebietes und dem "Restaurant Piz Nair 10'000 Feet" soll man den besten Ausblick haben und dazu noch sehr gut essen können. Ein Grund mehr für uns, bald wiederzukommen.
Wir sind weiter unterwegs, immer die perfekt präparierten, kupierten und sehr breiten Pisten unter den Skiern. Voll ist es auch nicht, jede Abfahrt ein skifahrerischer Hochgenuss! Von Marguns entdecken wir noch die beiden Gipfel Las Trais Flurs (2.752 m) und Glüna (2.830 m), die beide tolle, anspruchvolle Pisten bieten. Der Blick wandert dabei immer wieder in die Ferne, zum Piz Palü, Piz Bernina und auch zum nahen Piz Corvatsch, unserem Ziel für den Nachmittag - was für eine Aussicht!
Vom Plateau Nair auf Corviglia schmeißen wir uns auf die Talabfahrt nach St. Moritz-Bad, steigen ins Auto und fahren in knapp zehn Minuten nach Silvaplana-Surlej zur Talstation Corvatsch. Hier wurde ein beeindruckende, mehrstöckige Tiefgarage in den Berg gegraben, die zwar nicht ganz günstig ist, aber für einen Nachmittag gönnen wir uns den Luxus. Vom Parkhaus kommt man nämlich per Aufzug direkt zur Gondelstation der Corvatsch-Seilbahn. Die Fahrt offeriert uns einen spektakulären Ausblick in das Engadin, auf den Silsersee, den Silvaplanersee und den St. Moritzersee. Die Mittelstation Murtèl ist der Dreh- und Angelpunkt des Skigebiets, das Restaurant bekannt für Pizzas aus dem Holzofen und Fastfood-Klassiker. Wir steigen aber gleich um, befahren die zweite Sektion der im Jahr 2008 neu gebauten Gondel (erstmal ging die Gondel bereits im Jahr 1963 in Betrieb) und landen auf 3303 Meter Höhe. Eiskalt bläst der Wind uns am frühen Nachmittag um die Ohren, als wir die Aussichtsplattform betreten und den Blick über das Engadin schweifen lassen. Klein kommt man sich hier oben vor. Und unbedeutend. In was für einer spektakulären und wunderschönen Welt wir doch leben, fährt es mir durch den Kopf.
Das Restaurant 3303 lassen wir trotz der Aussicht auf einen ORMA-Whiskey, der hier an der Bergstation Corvatsch ein Stockwerk tiefer gebrannt wird, rechts liegen. Pascal Mittner und Rinaldo Willy haben ihren Whisky schon länger auf der Bergstation Corvatsch reifen lassen. Seit 2020 wird der Whisky auch hier gebrannt. Der Destillationsprozess liegt auf dieser Höhe rund zehn Grad tiefer als auf Meereshöhe, das soll dem ORMA-Whisky mehr Aromen und eine größere Komplexität verleihen. Die Brennerei kann man übrigens auch besichtigen und den Whisky hier oben selbstverständlich auch käuflich erwerben.
Unser Fokus liegt heute jedoch auf dem Skifahren und so schwingen wir uns auf die Bretter, die die Welt bedeuten, und carven gemütlich gen Mittelstation. Zu der bringt uns der Mandra-Lift, von dem aus man eine perfekte Sicht auf den spektakulären Corvatsch Snowpark hat. Er ist ist einer der größten Snowparks im Alpenraum. Profi wie Beginner findet hier die passende „Line“, seit Kurzem gibt es sogar eine Flowline und einem Bagjump. Am Corvatsch werden regelmäßig FIS Freeski & Snowboard World Cups am Corvatsch ausgetragen - die Profis finden hier beste Voraussetzungen, riesige Kicker und eine perfekte Infrastruktur. 2023 findet hier bereits zum dritten Mal das Finale der FIS Weltcupsaison im Corvatsch Park (23.-26. März 2023) statt und somit auch die Vergabe der großen und kleinen Kristallkugeln für die besten Freestyler des Jahres!
An der Mittelstation gönnen wir uns eine kurze Aufwärmpause, genießen das gemütliche Ambiente, bevor wir den Skitag mit einer langen Abfahrt zurück zur Talstation Corvatsch beenden. Das Skigebiet am Corvatsch ist übrigens mit Furtschellas direkt verbunden. Über den Curtinella-Sessellift, die rote Piste Nr. 18, den Marguns-Schlepplift und die Piste 19a kommt man bis zur Furtschellas-Mittelstation. Insgesamt bietet das Skigebiet somit 120 Pistenkilometer. Für uns leider zu viel für diesen Nachmittag. Aber auch ein guter Grund, bald wieder zu kommen in das wunderschöne Engadin. Denn hier gibt es noch so unglaublich viel zu entdecken ...
Mehr Infos unter: www.engadin.ch